Wegweiser
Stekkur Wegweiser

16. September 2000

Mein erster Morgen in Island, Vogur. Ich schaue aus dem Fenster und sehe verschwommen, durch die beschlagene Scheibe, den Kuhstall und ich bin mir nicht sicher, was ich machen soll. Aufstehen, hinausgehen? Liegenbleiben? Vielleicht werde ich geweckt?

Ich bleibe noch eine Weile liegen, doch dann werde ich sehr neugierig, wie es wohl aussehen wird, das Island, an diesem Morgen!

Die Sonne scheint und im Haus ist es ruhig. Ich finde in der Küche jemanden, weiß ihren Namen noch nicht.

Ich frühstücke nicht, weil ich noch nicht weiß, dass hier jeder isst und trinkt, wenn er hungrig oder durstig ist. So warte ich ein wenig und werde angesprochen doch zu frühstücken. Ich bin mir so unsicher, was ich machen soll.

Die Männer des Hauses waren in der Frühe (um 5:00 Uhr) jagen. Richtig mit Gewehr und so. Sie waren erfolgreich.

Die Schwiegertochter von Pétur hat im Mai einen Sohn geboren. Sie spricht recht gut Englisch. Sie erzählt mir, dass vor mir schon mal eine Anja hier war. Lustig, oder?

So werde ich heute Nachmittag das erste Mal melken. Ich hoffe, ich stelle mich nicht so blöd an.

Isländisch ist schwer zu lernen. Ich glaube, ich habe bisher kein einziges Wort behalten.

Da schaue ich aus dem Küchenfenster und sehe Berge im Hintergrund und davor einen Fjord mit vielen Inseln darin. Er sieht wie ein ganz normaler See aus. Die Sonne ist nicht zu sehen, doch auf den Berghängen liegen die Schatten der Wolken, dazwischen gelbes Licht, welches auf die grün-braunen Berghänge fällt und leichter Nebel. Es ist beeindruckend.

Das alles konnte ich gestern Abend nicht sehen, denn da war es stockfinster.

Der nächste Hof ist 10 Minuten entfernt, ca. 10 km! Du siehst nur ein paar kleine Lichter am anderen Ende des Fjords.

Ich bin froh darüber, dass hier einige Leute Englisch sprechen. So kann ich mich wenigstens ein bisschen verständigen.

Oft wurde ich nun schon gefragt, warum ich auf einer Farm arbeiten will, wenn ich doch im Büro arbeiten kann. Ich hoffe bei meiner Antwort immer, nicht aus den falschen Gründen hier zu sein. Im Moment fühle ich mich ganz schön schwach und ziemlich fertig. Ich könnte jetzt schlafen, doch es ist erst 2:00 Uhr nachmittags. Pétur hat gerade den Trecker angemacht und fährt über den Hof.

Heute fühle ich mich fast überflüssig. Ich kann nichts tun, so mein Gefühl.

Ich habe nun schon mal meine Tasche ausgepackt. An diesem Wochenende, so habe ich erfahren, sind sehr viele Leute hier, weil sie die Schafe vom Hochland in die Täler treiben, doch das ist nicht meine Aufgabe. Ich kann es heute Abend sehen. Ich hoffe jetzt, dass für mich schnell eine Regelmäßigkeit entsteht, dann werde ich mich wohler fühlen.

Jedenfalls habe ich mich in meinen Vorstellungen von Island bisher nicht getäuscht. Es ist so wie in meinen Träumen.

Pétur soll auch musikalisch sein. Es heißt, dass er im Winter im Chor singt.

Heute morgen war einer da, der war auch jagen, und hat Elvis nachgesungen. Er hat eine wirklich gute Stimme.

Namen sind unheimlich schwierig zu behalten.

Der Geruch im Haus gestern Abend war ungewohnt, doch heute, nachdem ich im Stall war und auch die Kühe anfassen konnte, gefällt es mir wirklich sehr gut. In den nächsten Tagen werde ich Fotos machen, dann ist es ruhiger hier.

Hier ist es kälter als in Deutschland. Schon viel frischer die Luft.

Ich frage mich schon seit gestern Abend, was mit dem Müll hier passiert. Sowas wie eine Müllabfuhr kann es hier nicht geben. Die Straßen sind eigentlich keine.

Ich staune über die Straßen. Wenn ich aus dem Fenster sehe, kann ich nicht einmal ahnen, wo sie sind. In Deutschland stehen Bäume, wo Straßen sind oder es gibt Straßenbegrenzungslinien, doch auf diesem Ende gibt es keinen Asphalt. Wir sind über die Berge gekommen. Ich muss gestehen, mir war schlecht! Ich hatte das Gefühl, bei einem Lebensmüden im Auto zu sitzen. Die Fahrt wird unvergesslich bleiben. Kein Asphalt, keine Begrenzungslinien, keine Leitplanken, kaum Schilder und links und rechts entweder Schluchten oder felsige Berghänge. 1 m zu weit rechts und man würde sich festfahren oder abstürzen.

Ich schaue von meinem Fenster aus direkt auf den Stall und auf einen von vielen kleinen Wasserfällen.

Ich habe Lust, mal den Berghang heraufzuklettern und zu schauen, ob der Wasserfall einer Quelle entspringt.

Ich hatte schon die Vorstellung, dass es hier ein Telefon im Haus gibt. Hier hat jeder sein Handy. Ständig telefoniert hier jemand.

Der eine hustet immer ganz laut, überhaupt ist es nicht leise hier.

Der Fernseher (von dem es zwei in einem Raum gibt) ist dermaßen laut, dass man ihn überall hören kann. Kindergebrüll und lautes Gelächter sind ständig wiederholende Geräusche. Trotzdem wirkt es im Vergleich zu Flensburg sehr ruhig auf mich. Immer noch entspannend.

Island ist ein junges Land, auf dem Weg hierher sind wir durch Lavafelder gefahren – very dangerous!

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