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Erdbeben und Vulkanausbruch auf Island

Nach spannungsvollen, wochenlangen Erdbeben in der Nähe der Hauptstadt Reykjavík hat sich die Erde nun mit einem kleinen Vulkanausbruch entladen.
In diesem Artikel berichte ich darüber, wie sich so ein Erdbeben anfühlt und schreibe über den Ausflug zu dem, Lava speienden, Vulkan.
 

Zur Vorgeschichte

Schon im vergangenen Jahr begann eine Reihe von leichten Erdbeben das Gebiet zwischen Reykjavík und Keflavík zu erschüttern. Unsere Wissenschaftler berichteten schon damals, dass wir in den kommenden Jahren mit weiteren und auch größeren Erdbeben in diesem Gebiet rechnen dürfen. Auch steigt damit die Wahrscheinlichkeit, dass es nicht nur bei Erdbeben bleibt, sondern auch Vulkanausbrüche möglich sind.

Diese Nachrichten hatte ich zunächst nur ganz beiläufig mitgehört, aber mir keine Sorgen gemacht. Ich empfand das alles so weit entfernt und trotz der wissenschaftlichen Warnungen so unreal.

Mal ganz ehrlich, die Geologie kann heute wirklich viel voraussagen und dank der sensiblen Technik auch relativ genaue Vorhersagen treffen, aber im Hinblick darauf die Zeichen zu deuten und eine wirklich genaue Aussage zu treffen, ist leider noch nicht möglich. Mit genauer Aussage meine ich natürlich die genaue Angabe von Tag und Uhrzeit.

Mit geologischer Genauigkeit können mehrere Tage, Monate oder auch Jahre gemeint sein, je nachdem um welches Naturereignis es sich handelt. Vor einem Jahr jedenfalls war die Aussage der Wissenschaftler eher so schwammig, dass wir uns darauf einstellen sollten, in den kommenden Wochen, Monaten oder eben Jahren mit Erdbeben und Vulkanausbrüchen zu rechnen. Nun ja, genauer wird es eben nicht.

Diskussionen um den Flughafen

Was ich jedoch sehr interessant bzw. fast amüsant finde ist die Tatsache, dass die Isländer schon seit Jahren darüber diskutieren, den nationalen und internationalen Flughafen zusammen zu legen und in das Gebiet Namens Hvassahraun zu verlegen (westlich von Reykjavík in Richtung Keflavík). Die Idee ist, dort einen komplett neuen Flughafen zu bauen, der eben viel dichter an der Hauptstadt dran ist und damit auch den Inlandsflughafen mit einbinden könnte.

Diese Diskussion ist wegen zwei Blickpunkten interessant, denn zum einen versuchen unsere Nachbarländer die Flughäfen weiter von den Städten zu entfernen und die Isländer wollen diesen näher ran bringen. Zum anderen jedoch steht die Tatsache, dass unsere Wissenschaftler vor Vulkanausbrüchen und Erdbeben eben in genau diesem Gebiet warnen.

Die gelassenen Isländer

Meiner Meinung nach haben die Isländer im Vergleich zum z.B. Europäer einen komplett anderen Umgang mit den Naturmächten und den Grund sehe ich darin, dass es in Island im Durchschnitt alle 5 Jahre einen Vulkanausbruch gibt. Diese Ausbrüche befinden sich normalerweise jedoch oft weit entfernt von bewohnten Gebieten und stören die Bewohner des Landes deshalb nicht bzw. stellen sie eher selten eine Gefahr dar. Somit betrachten die Isländer solches Naturschauspiel eher als wunderschön, spannend und genial.

Erst der Eyjafjallajökull Vulkanausbruch im Jahr 2010 machte Island in der ganzen Welt so richtig bekannt, weil dieser Vulkan ein Explosionsvulkan war, der eine riesige Aschewolke in die Atmosphäre sprühte und somit den internationalen Flugverkehr für mehrere Tage lahmlegte. Solche Ausbrüche finden in Island aber eher selten statt bzw. sind diese so lange her, dass sie in alten Zeiten keinen Flugverkehr stören konnten.

Wenn Nicht-Isländer von Vulkanen hören oder lesen, dann zeugen diese Berichte fast ausschließlich immer von Katastrophen. Solche Katastrophen schaffen es auch eher in die Nachrichten und dementsprechend groß ist der Respekt vor Vulkanen. Dann wird immer gezeigt, wie Menschen vor den Vulkanen flüchten müssen und weglaufen. In Island ist das jedoch ganz anders, wie ich später noch berichten werde.

Auch Erdbeben kann man meiner Meinung nach dahingehend einsortieren, dass Isländer auch mit diesem Naturspektakel einen ziemlich gelassenen Umgang haben. Ich sehe den Grund darin ganz eindeutig in der stabilen Bauweise der Häuser, denn die Bauordnung in Island schreibt erdbebensicheres Bauen vor. Bis heute sind noch keine Gebäude unter Erdbeben zusammengebrochen, trotz teils schwerer Beben. Bis auf ein paar Risse in den Wänden oder der Straße oder heruntergefallene Gegenstände von den Regalen halten die Bauten dem Beben stand.

Die Erde schüttelt ihre Bewohner hier außerdem regelmäßig durch und somit sind die Bewohner es auch eher gewöhnt. In bestimmten Landesteilen passiert das öfter als in anderen, jedoch können auch starke Erdbeben noch hunderte Kilometer weit zu spüren sein. Aber dazu erzähle ich gleich mehr.

Auf der Internetseite des isländischen Wetterdienstes kann man täglich mitverfolgen, wie viele Erdbeben und in welcher Stärke wo auftreten (für euch hier auf Englisch):

https://en.vedur.is/earthquakes-and-volcanism/earthquakes

Erdbebenkarte der Veðurstofa Íslands

 

Mein erstes Erdbeben

Seit meinem Umzug nach Island im Jahr 2004 habe ich erst wenige Erdbeben erlebt. Mein eindrücklichstes jedoch war im Frühjahr 2006, als ich im Gewächshaus gearbeitet habe.

Meine Kollegin und ich standen direkt neben dem Eingang am Arbeitstisch und waren mit dem Eintopfen der neuen Tomatenpflanzen beschäftigt. Ich stand mit dem Rücken zur Wand und schaute in das Gewächshaus auf ca. 30m Länge. Meine Kollegin stand mir am Tisch gegenüber. Sie hatte wie immer ihre Kopfhörer auf, um Musik zu hören und ich war vertieft in diese für mich eher meditative Feinarbeit, als plötzlich ein Donnern und Dröhnen durch das Gewächshaus rollte.

Ich schaute auf und sah, wie sich das Haus in voller Länge in wellenförmiger Bewegung aufbäumte und wieder absenkte. Nach nur wenigen Sekunden war der Spuk vorbei und ich schaute meine Kollegin fragend an und sie antwortete mir mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht, dass dies ein Erdbeben war und wir lieber aus diesem Haus raus gehen sollten. Wir befanden uns in einem der älteren Häuser, die noch nicht mit Sicherheitsglas ausgestattet waren. Im Nachhinein war mir klar, dass ich sie ziemlich entsetzt angeschaut haben musste, aber ihre ruhige Art lies mich auch ruhig bleiben. Später in den Nachrichten hörten wir, dass es ein Beben der Stärke 5 gewesen war, und wir hatten Glück, denn auch das Gewächshaus hielt diesem Beben stand.

Danach hatte ich erst im vergangenen Jahr, also Sommer 2020 wieder das „Vergnügen“ ein Erdbeben zu erleben. Ich war im Homeoffice, als plötzlich die Kleiderschranktüren hinter mir zu klappern anfingen. Nach wenigen Sekunden war auch dieses Beben vorbei. Ich lief nach vorne in die Stube und sah, dass unsere Deckenhängelampe noch leicht hin und her schaukelte. Ich glaubte zunächst, dass ein riesiger Bulldozer vors Haus gefahren sei, doch mein Mann, der draußen vor unserem Haus arbeitete, hatte von all dem nichts mitbekommen.

Kurz darauf wollte ich auf der Internetseite des isländischen Wetterdienstes nachschauen, ob dies tatsächlich ein Erdbeben war, doch die Internetseite war zusammengebrochen. Erst nach einer ganzen Weile konnte ich in den Nachrichten lesen, dass es sich um ein Erdbeben handelte und dass sich nun die Voraussagen der Geologen wohl bestätigen und somit das Gebiet zwischen Keflavík und Reykjavík immer aktiver wird.

Von da an konnten wir in unregelmäßigen Abständen und in verschiedenen Stärken Erdbeben spüren. Da wir aber so dicht bzw. direkt am Berg Esja leben und dieser Berg wie ein Anker wirkt, bekommen wir hier zu Hause nur die größeren Beben mit.

Die Erde bebt weiter

Dann am 24. Februar 2021, ich saß gerade mitten in einer Besprechung im 5. Stock des Bürogebäudes mitten in Reykjavík, als alles zu wackeln und zu klappern anfing. Es hörte sich an, als ob jemand mit voller Wucht die Eingangstür zuschmeißt. Dieses Erdbeben dauerte nur wenige Sekunden und doch war es länger als die vorigen Beben, die ich bisher erleben durfte. Meine Kollegen und ich schauten uns an, grinsten und bestätigten uns gegenseitig, dass dies ein Erdbeben war, doch das Meeting ging ungerührt weiter.

Nach nur wenigen Minuten jedoch rumpelte es gleich wieder und irgendwie eindringlicher. Ehrlich gesagt war mir dann doch etwas mulmig im Magen. Ich war mir einfach nicht sicher, ob ich jetzt unter den Tisch kriechen sollte, wie es in den Sicherheitsanweisungen des isländischen Katastrophenschutzes zu Erdbeben vorgeschlagen wird, oder ob ich einfach sitzen bleiben sollte. Doch auch jetzt blieben meine Kollegen die Ruhe selbst und ich beruhigte mich schnell wieder. Es blieb jedoch nicht bei diesen zwei Beben. Den ganzen Tag spürten wir immer wieder kleinere Nachbeben, doch das erste von ihnen war das kräftigste mit einer Stärke von 5,7. Später am Abend berichteten dann sogar Einwohner z.B. in Vik im Südosten des Landes oder in anderen Landesteilen, dass sie die Beben sehr gut spüren konnten. Vik ist ca. 200km vom Erdbebengebiet bei Grindavík entfernt.

Von diesem Tag an begann ich nun regelmäßig die Erdbebenaktivität mitzuverfolgen. Mir war bis dahin nicht wirklich klar, dass täglich schon über hunderte von Erdbeben, in dem Gebiet zwischen Keflavík und Reykjavík, registriert wurden. Ich habe diese nur nicht gespürt, weil die zu klein waren. Alle Beben unter der Stärke 3 bekomme ich zu Hause und auch auf Arbeit kaum mit, erst die Erdbeben ab der Stärke 4.

Nun wurden auch die Bewohner der umliegenden Orte interviewt und sie gaben an, dass viele von ihnen kaum noch durchschlafen konnten, weil sie ständig von der ruckelnden Erde aufgeweckt wurden. Manche Bewohner entschieden sich gar in ein Sommerhaus in andere Landesteile zu fahren, um mal wieder durchschlafen zu können. Angst schien keiner zu haben, es war ihnen eher unangenehm und ermüdend.

Ein Vulkanausbruch wurde immer wahrscheinlicher

Ab Ende Februar konnten die Geologen durch Auswertung der Satellitenbilder sehen, dass sich eine ca. 5km lange und ca. 20cm breite Spalte, vom Berg Keilir ausgehend in Richtung Grindavík, auftat. Sie konnten aus den vorliegenden Daten erlesen, dass sich unter dieser Spalte Lava an die Erdoberfläche schiebt und diese nur noch ca. 1-2km von der Oberfläche entfernt sei. Ich fand das sehr beeindruckend, denn normalerweise ist die Erdkruste 20-70km dick und in diesem Gebiet, wird gesagt, ist sie nur um ca. 15km dick. Ich konnte mir nun sehr gut vorstellen, warum wir so viele Erdbeben hatten. Die Zahl der Erdbeben kletterte bereits auf über 3000 pro Tag! Die Kräfte, die da aufeinander geraten, um die über 1100°C heiße Lava an die Erdoberfläche zu pressen, kann man nur erahnen.

In den Nachrichten wurden wir davor gewarnt, dass wir unter Umständen weitere bzw. noch stärkere Erdbeben erwarten dürfen, bis die Lava sich entweder zurückzieht oder durch die Erdoberfläche bricht und sich in einem Vulkanausbruch ergießt.

Die Wahrscheinlichkeit eines Vulkanausbruchs wurde immer größer, aber genau vorhersagen konnte das natürlich keiner. Anfang März 2021 wurden die Erdbeben deutlich weniger an der Zahl und auch weniger stark. Im Nachhinein kann man diese wenigen Tage als „die Ruhe vor dem Sturm“ betrachten.

Warum gibt es in Island so viele Vulkane

Die Gründe, warum Island vulkanisch so aktiv ist, sind vielseitig. Einer der Gründe ist die Spalte, die zwischen der eurasischen und nordamerikanischen Kontinentalplatte vom Norden, quer durchs Land Richtung Südwesten nach Reykjanes verläuft. Genau quer durch das Gebiet, in dem jetzt so viele Erdbeben registriert wurden.

Der andere Grund ist, dass Island über einem vulkanischen Hotspot liegt und die Erdkruste hier dünner ist als in anderen Gebieten der Erde und sich somit auch mehrere Spalten und Risse bilden können.

Kein Vulkanausbruch, oder doch?

Am Freitagabend des 19. März 2021 sahen wir im Fernsehen in den Nachrichten ein Interview mit einem Geologen, der uns versicherte, dass es in den kommenden Tagen definitiv nicht zu einem Vulkanausbruch kommen würde.

Ich dachte mir, dass es nun doch noch ein paar Jahre dauern wird, bis ich vielleicht einen Vulkanausbruch aus der Nähe betrachten würde können.

Doch der Geologe wird sich nur knapp 2 Stunden später gewünscht haben, dieses Interview hätte nicht stattgefunden, denn dann kam die Nachricht, dass der Vulkan ausgebrochen ist!

Schon wenige Minuten nach 21 Uhr, teilten die ersten Bewohner von Grindavík und auch aus Hafnarfjörður/Reykjavík Bilder vom feuerroten Himmel. Nur kurze Zeit später konnten einige Reporter zusammen mit Geologen im Hubschrauber die Anfänge des Vulkanausbruchs mitverfolgen und somit per Liveübertragung das Naturschauspiel mit uns teilen.

Ich saß wie gebannt vorm Fernseher und las alle Nachrichten auf allen Kanälen. Am liebsten wäre ich gleich losgefahren, doch die Bewohner wurden gebeten zu Hause zu bleiben, denn die Wissenschaftler müssten erstmal klären, wie gefährlich der Vulkan ist.

Davon ließen sich natürlich nicht alle abhalten und viele Menschen setzten sich ins Auto, um auf der Schnellstraße Richtung Keflavík zu fahren, doch die Polizei sperrte nach kurzer Zeit die Straßen, um ein Chaos zu vermeiden. So ein Vulkanausbruch, nur knapp 30-40km von der Hauptstadt entfernt, lockte hunderte Menschen auf die Straße. Einige von Ihnen wanderten direkt los, um sich das Spektakel bloß nicht entgehen zu lassen.

Welche Gefahren lauern in der Nähe eines Vulkans?

Am nächsten Morgen war dann klar, dass dies nur ein kleiner Vulkanausbruch ist. Vielleicht darf man auch sagen „zum Glück“ nur ein kleiner. Und trotzdem ist auch ein so kleiner Ausbruch nicht ungefährlich. Bei jedem Ausbruch strömen Gase mit aus der Erde empor, die unter Umständen geruchlos aber tödlich für uns Menschen und Tiere sind. Vor allem die Gase wie z.B. CO2, welches schwerer ist als Luft, außerdem geruchlos und so in Niederungen oder Senken lauern kann. Aber auch andere Gase wie Schwefel und Fluor (um nur einige Gase zu nennen), die man zwar ganz gut riechen, aber schwer einschätzen kann, in welcher Konzentration sie vorliegen. Dementsprechend lauteten auch die Warnungen der Experten, sich nicht ohne Informationen an den Vulkan zu wagen.

Eine weitere Gefahr ist, dass ganz ohne Vorwarnung weitere Krater aufbrechen könnten. Die Spalte, auf der sich dieser Vulkan befindet, ist immerhin 5km lang. Somit könnte der Vulkan sich auch in nur kurzer Zeit stark vergrößern.

Selbst die Wissenschaftler können dies noch nicht voraussagen. Auch können am Krater Explosionen auftreten und deshalb sollte man einen guten Abstand halten. Die Lava fließt mit einer hohen Geschwindigkeit und wenn dort unverhofft eine Spalte aufbricht, ist ein Entkommen sehr ungewiss.

Das Tor zur Hölle

Erst 9 Tage später haben mein Mann und ich es geschafft, den Vulkan mit eigenen Augen zu sehen! Unser Wunsch war es, den Vulkan im Dunkeln und im Hellen zu sehen, doch unsere Pläne gingen nicht ganz auf.

Erst war das Wetter zu gut, also kein Wind und somit war das komplette Gebiet wegen Gasgefahr gesperrt. Dann war das Wetter zu schlecht und das Gebiet wurde wegen Schneesturm abermals gesperrt.

Dann am Sonntagmorgen entschieden wir uns trotz der Sperrung früh loszufahren. Das Wetter hatte sich beruhigt und die Sonne schien. Wir wussten, dass gegen 9:00 Uhr früh der Zivilschutz entscheiden wollte, ob das Gebiet wieder geöffnet wird und damit auch wann. Um halb 10 Uhr lasen wir dann in den Nachrichten, dass das Gebiet geöffnet wurde und bereits mehrere Fahrzeuge an der Zubringerstraße in Grindavík warteten. Wir reihten uns ein und staunten nicht schlecht, wie viele Autos schon vor uns da waren!

Aufstieg zum Fagradalsfjall

Wir waren gut vorbereitet, hatten zum Glück unsere Steigeisen dabei, denn der Aufstieg war sehr rutschig und holprig wegen dem Schnee und Eis vom Sturm der Nacht. Viele Menschen hatten die Warnungen des Zivilschutzes und der Rettungswache nicht ernst genommen und sind trotzdem in flachen Schuhen mit glatter Sohle und Jeanshosen losspaziert. Schlecht gekleidet hatten viele Leute sichtlich große Schwierigkeiten beim Erklimmen der Anhöhe.

Der erste Blick auf den Vulkan

Doch der Blick, der sich uns dann eröffnete, war so grandios, dass jeder, der die Anhöhe erklommen hatte, die Strapazen schnell vergaß. Von weitem konnten wir nun den schwarzen Krater sehen, aus dem grau-gelber Rauch emporstieg, umringt von weißen Bergen. Nun ging es nur noch geradeaus, direkt auf den Vulkan zu. Ich fühlte mich etwas eingeengt wegen der vielen Menschen. Der Strom riss einfach nicht ab und in Zeiten von Corona-Covid-19 empfand ich das als recht unangenehm. Ich war dann aber schnell beruhigt, denn als wir uns dem Vulkan näherten, verlief sich die Menschenmasse um den Vulkan herum.

Ich hatte bis dahin nicht gewusst, welche Geräusche so ein Vulkan machen kann. Man hört ständig lockeres leichtes Gestein zerbersten, weil sich der ganze Lavateppich ständig weiterbewegt und sich Zentimeter für Zentimeter weiter vorschiebt. Vom Krater her hört man es zischen und krachen. Auch klirrende Geräusche, als würde feines Glas zerbrechen, kann man hören.

Vulkan und Lava im Geldingardal

Der Vulkan befindet sich in einer Talsenke, die sich bereits mit Lava zu füllen begann, und wir liefen erstmal einmal komplett um diese Senke herum. Die Lava zum Teil hell- bis dunkelrot glühend und fließend, oder schwimmend, wie ein Teppich oben auf der zum Teil schon schwarzen und erstarrten Lava. Im Inneren dieses „Lavateppichs“ glüht und fließt die Lava jedoch noch sehr lange weiter, zum Teil viele Jahre.

Erst als wir auf der anderen Seite der Talsenke angekommen waren, eröffnete sich uns ein grandioser Blick auf die zwei Krater, aus deren Schlote die Lava sich ergoss oder in regelmäßigen Abständen explosionsartig in die Höhe schoss und somit den Krater immer größer werden ließ. Wir konnten außerdem beobachten, wie schon in Bereichen weiter entfernt vom Krater noch immer hier und dort der Lavateppich aufbrach und explosionsartig glühende Lava emporschoss.

Ich konnte den Gedanken nicht ablegen, dass Mutter Erde hier vor unseren Augen neue Erde erschuf und dass wir hier in diesem Moment mit ansehen dürfen, wie das Innere unserer Erde aussieht, so als schaute ich auf die „Gedärme“ der Erde. Auch das Wort „Hölle“ kam mir beim Betrachten der Krater, denn sie sind ja sowas wie „das Tor zur Hölle“.

Während unserer Umrundung der Krater und des Lavagebiets hatte ich immerzu einen besonderen Duft in der Nase. Mir ist klar, dass dort viele Gase emporsteigen, die verschiedenste Gerüche mit sich bringen, doch ich empfand diesen Geruch als süßlich, fast blumig. Ich fragte mich, ob so das Parfüm unserer Mutter Erde duftet. Oder sind dies die Flatulenzen unserer Erde?

Lava im Geldingardal

Volksfeststimmung

Im Bereich vor dem Krater versammelten sich die meisten Menschen, um die Lava aus der Nähe speien zu sehen. Hier herrschte richtige Volksfeststimmung. Alle haben was zu trinken und Essen dabei, als Musik lauschten wir den Geräuschen der Krater und Lava oder der Hubschrauber und Drohnen, die ab und zu über unseren Köpfen kreisten. Mir fehlten eigentlich nur noch die Islandflaggen, dann wäre kaum zu unterscheiden, warum wir Menschen hier draußen zusammenkamen. Volksfest oder Vulkanausbrauch, irgendwie war es beides.

Erst jetzt schaute ich mir die Leute um mich herum etwas genauer an und stellte fest, dass Menschen jeglichen Alters hier hoch wanderten. Ein Pärchen so um die 70 Jahre alt und sich gegenseitig stützend, mit einem festen Gehstock bewaffnet. Die Frau konnte kaum alleine laufen! Kinder, die gerade laufen konnten oder Babys, die noch im Wanderrucksack steckten, Leute auf Mountainbikes, Bergsteiger und selbst Stubenhocker lockte der Vulkan.  Wir hörten außerdem die verschiedensten Sprachen aus aller Welt.

Wir, kleine Menschen

Nachdem wir uns satt gegessen hatten, machten wir uns langsam auf den Weg nach Hause.

Wenn ich glaubte, dass das Gebiet bei unserem Aufstieg bereits überbevölkert war, dann wurde ich nun eines Besseren belehrt. Uns kam eine ungebrochene Menschenschlange entgegen, die so lang war wie der Weg vom Vulkan bis zum Parkplatz – also 3-4 km lang.

Mir wurde mulmig im Magen. Hatte ich die Pandemie beim Anblick des Vulkans endlich mal vergessen können, erwachten die Warnungen vor Covid-19 in mir mit voller Wucht. Die Menschen, die uns entgegenkamen, machten nämlich gar keine Anstalten, die 2m Abstand zu halten, wie es Vorschrift war. Zum Glück hatten wir Steigeisen unter die Schuhe geschnallt und konnten nun über die vereisten Steine und den Schnee in 2-4m Abstand neben dem Pfad und der Menschenschlange zum Parkplatz stapfen, ohne bei jedem zweiten Schritt hinzufallen.

An der Straße angekommen, sahen wir nun außerdem eine endlos lange Autokolonne sich im Schritttempo vorwärts schieben und mein Mann und ich waren glücklich, so früh aufgebrochen zu sein. So sind wir dem größten Ansturm aus dem Weg gegangen.

Auch in den kommenden Tagen ließ der Strom der Besucher nicht ab und die isländische Rettungswacht und die Polizei hatten alle Hände voll zu tun, den Verkehr so zu lenken, dass es kein Chaos gibt und Unfälle vermieden werden. Bis heute gab es nur wenige kleinere Unfälle wie z.B. ein gebrochenes Handgelenk oder ein paar wenige Prellungen vom Sturz.

Das Gebiet wird Tag und Nacht bewacht. Die Besucher kommen aus allen Regionen Islands und auch die Rettungswacht kommt aus anderen Regionen zur Hilfe. Ich darf hier auch noch anmerken, dass es keine Berufsrettungswacht auf Island gibt, das sind alles freiwillige Helfer! Die Rettungswacht finanziert sich ausschließlich durch Spenden und den Verkauf von Feuerwerkskörpern zu Silvester, was in den letzten Jahren oft aus umwelttechnischen Gründen kritisiert wurde. Auch wird die Hilfe nicht in Rechnung gestellt. Das heißt, wer hier in Island Hilfe braucht, bekommt sie!

Bei solch großen Einsätzen, die oft über viele Tage und Wochen gehen, staune ich immer wieder, wie geschmiert diese Rettungswacht funktioniert und wie viele freiwillige Helfer es doch gibt.

Hier könnt Ihr mehr über die isländische Rettungswacht (Björgunarsveit) erfahren: https://www.landsbjorg.is.

In Zeiten von Covid-19 wird auch darüber diskutiert, ob es erlaubt sein sollte, das Vulkangebiet allen zugänglich zu machen, denn die Ansteckungsgefahr ist groß und die Wahrscheinlichkeit der Verbreitung des Virus durch das ganze Land natürlich sehr hoch. Doch ist allen klar, dass wenn das Gebiet gesperrt werden würde, Menschen auf eigene Faust zum Vulkan laufen würden und aus allen Richtungen. Es wäre absehbar, dass es so viel eher zu einem Chaos und viel eher zu Unfällen kommen würde.

Anja und Krissi im Geldingardal

Liebe Leser, dieser Bericht ist keine wissenschaftliche Abhandlung, wer mehr über Vulkane und Erdbeben erfahren möchte, kann im Internet endlos viele Informationen finden.

Ich hoffe jedoch mit diesem Artikel einen kleinen Einblick geschaffen zu haben, wie man Erdbeben und Vulkane erleben kann.

Wenn ich auf diese Erlebnisse zurückschaue, dann wird mir wieder einmal bewusst, wie klein wir Menschen sind und wie groß unsere Mutter Erde oder die Natur und wie stark sie ist. Wir können weder Erdbeben noch Vulkanausbrüche verhindern, wir können nur hoffen, diese dank der neuesten Technik besser voraussagen zu können und hoffen, dass wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind!

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1 Kommentar zu „Erdbeben und Vulkanausbruch auf Island“

  1. Liebe Sterni, lieber Krisse,

    danke für den äußerst interessanten und informativen Bericht. Wir sind sehr beeindruckt. Sterni, das hast Du ganz toll gemacht.

    Wir sind ja recht weit weg von Island, haben aber trotzdem immer Herzklopfen bekommen, weil wir an Euch denken, nicht wissen, ob es Euch gut geht, ob alles in Ordnung ist.

    Nun sind wir doch etwas ruhiger geworden. Bild und Text zeigen uns, dass es Euch gut geht.

    Weiter so!! Wir freuen uns schon auf die nächste Nachricht.

    Eure Neustädter Peter und Rita

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